Projektmanagement – muss es denn immer agil sein?
Ohne Agilität
geht heute in der Softwareentwicklung fast nichts mehr. Aber ist Agilität auch
allgemein im Projektmanagement immer der richtige Ansatz? Sollten alle Projekte
agil abgewickelt werden?
Von Hans-Jürg Kleine
Wikipedia definiert Projektmanagement als Planen, Steuern, Kontrollieren und Abschliessen von Projekten. In der agilen Welt ist aber gerade Planen, Steuern und Kontrollieren durch einen Projektleiter oder eine übergeordnete Stelle nicht erwünscht. Lassen sich klassisches Projektmanagement und agile Frameworks trotzdem verbinden oder sogar verschmelzen?
HERMES, die Projektmanagementmethode des Bundes, nimmt sich im Rahmen einer Überarbeitung dieser Herausforderung an. Ziel der Überarbeitung ist insbesondere, das Zusammenspiel von HERMES mit den verschiedenen agilen Frameworks zu verbessern. Bereits ab HERMES 5 war es in HERMES vorgesehen, agile Methoden, bspw. Scrum, zur Steuerung der Entwicklung einzusetzen. Unterdessen haben sich neben Scrum weitere agile Frameworks, wie zum Beispiel das Scaled Agile Framework (SAFe) etabliert. SAFe geht weit über die reine Produktentwicklung hinaus und organisiert Bereiche, die bisher von klassischen Projektmanagementmethoden abgedeckt wurden.
Klassisch, hybrid oder total agil
Agil kommt vom lateinischen agilis, was flink und beweglich bedeutet. Je komplexer eine Aufgabenstellung, desto mehr Agilität ist für die Erledigung nötig. Komplexität bedeutet, dass wir nicht voraussehen können, was uns erwartet. In der Komplexität helfen keine Checklisten, Regeln oder langfristige Planungen. Komplexität kann nur mit menschlichem Können und Flexibilität begegnet werden. Ist jedoch etwas «nur» kompliziert, verstehen wir also nicht, wie es funktioniert, dann können wir dem mit Lernen, Checklisten, Regeln und Planung begegnen. Dadurch wird das Komplizierte im besten Fall einfach.Gerade grössere Softwareentwicklungen aber sind komplex. Veränderungen der Bedürfnisse an das Endprodukt während der Projektlaufzeit und neue Erkenntnisse durch bereits realisierte Elemente führen dazu, dass nicht weit vorausgeplant werden kann. Auch technologisch geht die Entwicklung immer rasanter voran.
Die folgende Grafik stellt den Zusammenhang zwischen Stabilität und Instabilität von Anforderungen und Technologien, sowie die daraus resultierende Notwendigkeit an Agilität dar.
Bildlegende: Je unklarer/dynamischer, desto agiler sollte vorgegangen werden.
Das Richtige für die eigene Organisation
Um die richtige Vorgehensweise zu definieren, kann jedoch nicht nur betrachtet werden, ob ein Vorhaben einfach, kompliziert oder komplex ist. Auch die Organisation selbst – mit ihrem Management und ihren Mitarbeitenden – muss bei diesem Entscheid berücksichtigt werden. Agiles Vorgehen braucht die dazu nötige Kultur und Kultur kann nicht einfach verordnet oder eingeführt werden.
Ein agiles Vorgehen bedingt immer auch einen hohen Grad an Selbstorganisation und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Das Management, wie auch die Mitarbeitenden selbst, müssen dazu bereit sein. Ist diese Bereitschaft vorhanden, bietet das agile Vorgehen nicht nur in hoch komplexen Konstellationen viele Vorteile. Auch einfache und «nur» komplizierte Problemstellungen können mit einer agilen Vorgehensweise flexibler gelöst werden. Für ein Team, das zum Beispiel Software entwickelt, ist es ausserdem kaum möglich, situativ agil oder klassisch zu funktionieren. Zu unterschiedlich sind die beiden Welten bezüglich Organisationskultur. Weiter ist eine agile Organisation eben nicht statisch, sondern entwickelt sich laufend weiter.
Die Tatsache, dass die meisten – bei Softwareprojekten praktisch alle – Projekte komplex sind, führt dazu, dass ein gewisser Anteil an Agilität in der Vorgehensweise meist angezeigt ist. Welcher Grad an Agilität wird also benötigt? Genügt es einfach, Scrum einzuführen? Macht eine Kombination von HERMES mit Scrum Sinn? Soll gleich SAFe eingeführt werden oder braucht es überhaupt Agilität? Hier sollten vorgängig die verschiedenen relevanten Parameter geprüft und – wenn sinnvoll – ein geeigneter Einstieg in die Agilität definiert werden. So wird sichergestellt, dass für die Organisation und die Aufgabenstellung die richtige Vorgehensmethode, sei es klassisch, hybrid oder agil, gewählt wird.
Hans-Jürg Kleine hat im Januar 2022 seine Arbeit bei REXULT
aufgenommen. Als Experte mit langjähriger Erfahrung im klassischen
Projektmanagement wie auch in agilen Vorgehensweisen vertritt er REXULT in der Arbeitsgruppe eCH zur Überarbeitung von HERMES.